“ Mutabor“ Das Geheimnis von Alchemie und Verwandlung 

 

Guten Tag,

 

kennen Sie die Geschichte des Kalifen Storch? Wilhelm Hauff hat sie 1826 in seinem Almanach veröffentlicht.

Wie jeden Nachmittag besucht der Grosswesir den Kalifen Chasid von Bagdad um die gleiche Stunde, da er ihn zu dieser Zeit immer gut gelaunt bei Kaffee und Pfeife findet. Eines Tages taucht ein Händler auf, bei dem sie eine Pulverdose und ein geheimnisvolles Schriftstück entdecken. Schnell wird der Gelehrte Selim hinzugezogen, und übersetzt den Zauberspruch „Mutabor“ aus dem lateinischen: „Ich werde verwandelt werden“. Die Aussicht, sich in jegliches Tier verwandeln zu könnten – und damit auch deren Sprache zu verstehen, lockt die beiden Männer natürlich.

Kalif und Grosswesir vereinbaren gleich, das magische Schnupfpulver samt Zauberspruch am nächsten Tag zu erproben. Gesagt, getan. Auf ihrem Spaziergang entdecken sie Störche und beschliessen ebensolche zu werden, rufen „Mutabor“, erleben staunend ihre eigene Verwandlung und lauschen dem Gespräch der Klapperschnäbel.

Beim Anblick der jungen Störchin brechen sie in schallendes Gelächter aus. Dabei war dies die Bedingung ihrer Rückverwandlung in Menschen gewesen – niemals während ihrer Tierexistenz  zu lachen! Andernfalls würden sie das magische Wort vergessen. Und tatsächlich, sie verneigen sich vergeblich nach Osten und suchen sich an den Zauberspruch zu erinnern. Er fällt ihnen nicht mehr ein.

Traurig fliegen sie umher und müssen erkennen, wie der Sohn des Zauberers Kaschnur in einem prächtigen Aufzug als neuer Kalif in die Stadt einzieht. Auf ihrer Suche nach einer Bleibe erreichen sie eine verlassene Schlossruine.  Dort haust eine Eule, die ebenfalls von Kaschnur verzaubert wurde und nur erlöst werden könne, wenn ein Storch sie zur Frau näme. Kalif und Wesir zieren sich noch eine Zeit in der Befürchtung, dass sie recht hässlich wäre. Schliesslich aber erklärt sich der Kalif dazu bereit, die Prinzessin ist natürlich wunderschön, alle ziehen nach Badgad und befreien die Stadt vom bösen Zauberer.

Dieses Abenteuer lässt den Kalifen gleich zweimal seinen Hochmut ablegen, einmal, als er sich über die Störche lustig macht (obwohl er doch selbst nicht anders einher stolziert) – und ein zweites Mal als er der Eule die Ehe verspricht ohne ihre spätere Gestalt zu kennen.

Für die Sammlung der Volksbank-Kirchheim Nürtingen konnte ich diese Woche die Arbeit des Künstlers Jörg Mandernach mit dem gleichnamigen Titel „Mutabor“ installieren. Sein Werk vereint neben der Geschichte des Kalifen Storch noch weitere berühmte Zitate zum Thema Verwandlung. So spielt er auf den Zwerg Alberich in Wagners Oper „Der Ring des Nibelungen“ an, der seiner Hässlichkeit wegen in seinem Liebeswerben von den Rheintöchtern abgelehnt wird und so ganz dem Wahn nach Macht und Gold verfällt. Er wird schliesslich überredet, sich in eine Kröte zu verwandeln und verliert alles.

Eine weitere Ebene bezieht sich auf eine berühmte Radierung Rembrandts. In seiner Studierstube wird der Gelehrte (Dr. Faustus?) magisch von einem Strahlenkranz in seinem Fenster angezogen. Schon viele versuchten, die kryptischen Zeichen zu interpretieren, sie stehen in der alten Tradition der Alchemisten, die – wie die Künstler – versuchen, wertlosen Stoff in wertvolles zu verwandeln.

Mit alchemistischen Grüssen
Ihre Eva Mueller

 

 

 

Die 3,20 m hohe Wandzeichnung von Jörg Mandernach, für die Volksbank in Nürtingen, wurde fein in Metalllinien ausgelasert und mit einem kleinen Zwischenabstand von der Wand entfernt, befestigt. So spielt auch das Licht noch mit und verwandelt Bild und Textgrafik je nach Tageszeit.

 

 

 

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