Guten Tag,

mich begeistert gerade der paradiesische Eindruck dieses Wonnemonats. Wie jedes Jahr überwältigen aufs Neue Pfingstrosen, Maiglöckchen, Storchschnabel, Rosen und täglich neue Blüten mit ihrer Schönheit.

Kein Wunder also, dass über die Jahrtausende in unterschiedlichen Kulturen der Sehnsuchtsort absoluter Harmonie im Paradiesgarten seinen anschaulichen Ausdruck fand. Waren die barocken Parks noch vorwiegend Zeichen für Kunstsinn, Macht- und Herrschaftsanspruch, weckten die Maler Claude Lorrain und Nicolas Poussin mit ihren verklärten Landschaftsgemälden Italiens bei ihrem westliches Publikum die Lust solch ideale Orte selbst zu kultivieren.

Vielleicht inspirierten sie die vielen Fresken und Mosaike römischer und griechischer Zeit? Kannten sie die mystische Überlieferung hängender Gärten Königin Semiramis von Babylon oder Sappho’s wunderbare Gedichte?

Wie auf den Gemälden mussten Formen und Farben aufeinander abgestimmt werden. Bis heute beschreiben unzählige Bildbände und Gartenbücher die idealen Verhältnisse einzelner Pflanzen zueinander.

Erste Bilder davon vermitteln uns mittelalterliche Paradiesgärtlein-Gestalterinnen in Klöstern. Als einer der herausragenden modernen Künstler legte sich Claude Monet einen eigenen Garten an und malte ihn aus allen erdenklichen Perspektiven. Seine Seerosenbilder sind weltberühmt. Genauso wie Pierre Bonnards Blütenmeere oder Berthe Morisots zauberhafte Frauen in wunderbarer Landschaft.

Die Kunst prägte damit Vision und Schönheitsideal von Landschaft. So ist sie nicht ganz unschuldig an einem „geglätteten“, von Wildwuchs und Brennnesseln bereinigten Naturbegriff. Wie weit es manche nun mit Steinwüstenmauern und Rasenmonotonie treiben, war nicht vorauszusehen. Auf jeden Fall haben alle zivilisatorischen Eingriffe dazu geführt, dass wir uns keine Vorstellung mehr davon machen können, wie Natur wirklich natürlich aussah (in welchem klimatischen Zeitraum auch immer).

Nachdem sich Gärten über ihre Wortstämme „ghordo“, „gard“ oder „yard“ auf einen begrenzten, eingehegten Raum beziehen, der über Haselnussruten, Zäune oder Mauern vor Blick und Zugriff geschützt ist, beschreitet die „Urban Gardening“ Bewegung der letzten Jahre den umgekehrten Weg. Zu einem offenen Garten für alle. Einem „Weltgarten“, der über Grenzen hinweg Verbindungen ermöglicht. Im Mikrokosmos wie im Makrokosmos.

Eine neue Idee des Paradiesgärtleins, die alle mit einbezieht – und nun über die Natur Einfluss auf unsere Kultur nimmt!

Sonnig sonntägliche Grüsse für weitere prachtvolle Maientage,
herzlich Ihre Eva Mueller

 

 

Abb.: o.T. Maja Ott, Acryl auf Leinwand, 50×50 cm

Maja Ott ist eine der bedeutenden Vertreterinnen zeitgenössischer, expressiver Malerei in der Nachfolge der Gruppe Spur. Hier zwei Beispiele abstrakter Landschaften. Aktuell widmet sie sich der Hinterglasmalerei und überbordenden Pflanzenornamentik

 

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